Warum Railslove?

Schluss mit 9 to 5 — Das Fazit unseres Experiments

Vier Wochen Selbstfindung liegen hinter uns. In dieser Zeit haben wir das Rad nicht neu erfunden, aber entdeckt, wie es für uns runder läuft. Am Ende stehen viele ausgeglichenere Mitarbeiter, ein Plus an Effizienz und neue ToDos auf dem Weg zu einer Arbeitskulktur, die allen genügt

Um unsere Arbeitsweise zu hinterfragen, um frustrierenden Leerlauf zu eliminieren und um einen Weg zu finden, die Arbeit für alle besser zu machen, haben wir in den vergangenen vier Wochen jegliche Arbeitszeiten verbannt. Inspiriert von Büchern wie The Five Hour Workday, ReWork, unzähligen Blogs und eigenen Erfahrungen zum Thema wollten wir selber mal die Grenzen in unseren Köpfen überwinden und sehen, was geht.

In dieser Zeit sind wir von “was soll ich denn anders machen?” über “kann ich das wirklich so machen?” bis hin zu “ich mach das jetzt einfach!” — und damit zu einigen wirklichen Ergebnissen gekommen. Die initiale Frage: “Arbeite ich so, wie ich am besten arbeite?” konnten viele schnell mit “Nein.” beantworten.

TL;DR

Kurz zusammengefasst brachte uns das Abschaffen von Arbeitszeiten und die bedingungslos freie Einteilung unserer Arbeit laut unserer internen Umfrage und unseren Beobachtungen:

  • Größere Zufriedenheit bei gleichem Output durch mehr Flexibilität und höhere Effizienz
  • Weniger unproduktive Zeit im Büro (-15h) und mehr abrechenbare Stunden (+2h) im Mittel über den Monat
  • Ein stärkeres Bewusstsein für die Themen Produktivität und Optimierung
  • Konsens darüber, dass aufgrund von Tagesform und Ablenkungen für niemanden von uns starres Arbeiten von 9–5 oder tägliche Kernarbeitszeiten sinnvoll erscheint
  • Die Einsicht, dass wir zwar große individuelle Flexibilität, aber auch gewisse Regeln und Kernzeiten behalten wollen
  • Folgende ToDos um unsere Arbeit zukünftig weiter zu verbessern:
  1. Erreichbarkeit und (asynchrone) Kommunikation verbindlich (!) regeln
  1. Präsenz im Office und Home Office regeln
  • Im Rahmen dieser beiden für Railslove wichtigen Bedingungen kann dann aber jeder agieren wie er oder sie will und den perfekten Rhythmus für sich finden
  • Die Potenziale solcher kleinen Experimente sind groß, der Aufwand und die Risiken mehr als überschaubar und wir werden weitere Themen ähnlich angehen.

Ein kurzer Blick über die Schulter.

Egal wie cool, agil, und innovativ man ist, man ist schnell im Trott gefangen. Da ist es schnell passiert, dass die Rhythmen der Kollegen, die Familie und Freunde vorleben, zu den eigenen Rhythmen werden und man entgegen seiner produktivsten Zeiten arbeitet — und deshalb ineffektiv ist. Vielen von uns ging es so, man blieb trotzdem im Büro und arbeitete sich frustig, obwohl es gerade nicht lief.

Auch vor diesem Experiment waren wir sehr happy mit unserer Arbeit hier. Und doch gab es Optimierungspotenzial, denn das gibt’s immer. „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein!“ (Motivational Quote™️)

Wo liegen Probleme beim 8-Stunden-Tag, wieso ist das Konzept unzureichend für Büroarbeit und warum ist weniger mehr? -> LEST HIER DEN ERSTEN TEIL!

Zur Beantwortung aller noch offenen Fragen und zum Einfangen der Stimmung, die unser Experiment hinterlassen hat, haben wir alle Mitarbeiter anonym zum Experiment befragt. Die Ergebnisse und Stimmen sind immer wieder eingestreut, wir ersparen euch die Pie-Charts.

Learning 1: Woran hat es gelegen?

Das fragst du dich immer! War einfach vor lauter Alltag das Bewusstsein nicht vordergründig, dass man viel Zeit verschenkt oder fehlte einfach etwas, das als Auslöser diente, endlich etwas an der eigenen Arbeitsweise zu verbessern? Rückblickend war bei vielen wohl beides der Fall. Das erste und wichtigste Ergebnis ist Folgendes:

Wenn ihr das Vertrauen habt, Mitarbeitern Freiheiten in ihrer Zeiteinteilung zu gewähren und den Mut, sie aktiv dazu aufzufordern, dann tut es! Gute Dinge werden passieren und Potenziale aufgedeckt.

92% unserer Mitarbeiter sehen es als notwendig an, sich mit anderen Arbeitsmodellen, als dem weithin verbreiteten Status Quo auseinanderzusetzen und ebensoviele haben das bereits vor unserem Experiment getan. Der Rest tut es nun. Knapp über die Hälfte glaubt nun sogar, dass uns ein komplettes Abschaffen von Arbeitszeiten und Regeln (der radikalste Ansatz) produktiver machen kann, der Rest denkt es macht keinen Unterschied oder würde uns schaden.

Bisher ist der am häufigsten genannte Benefit für unsere Kollegen:

Mehr Freiraum und dadurch Zufriedenheit bei gleichen Ergebnissen— also größere Effizienz, die einer besseren Work/Life-Balance zugute kommt.

Wenn das mal kein schönes Ergebnis ist, dann weiß ich es auch nicht Wir machen ab sofort weiter, wie in den vergangenen vier Wochen.

Learning 2: Freiheit … aber nicht bedingungslos

Durch den ausdrücklich gewährten Freiraum sind wir im Gros entspannter zur Arbeit erschienen und konnten subjektiv mehr leisten. Objektiv ist das nach einem Monat zwar schwer zu belegen. Im Mittel haben wir in vier Wochen aber rund 15 unproduktive Stunden weniger erfasst (Zeit, die man ohne Output zu generieren im Büro verbrachte ) und 2 Stunden mehr abgerechnet als im vorherigen Zeitraum. Da das aber auch an einem zum Vormonat unterschiedlichen Workload innerhalb der Projekte liegen könnte, wollen wir die erfassten Zeiten über die kommenden Monate weiter beobachten. Dennoch kann man festhalten, dass weniger im Büro verbrachte Zeit keinesfalls kontraproduktiv war. Dem entsprechend würden über 60% das Abschaffen jeglicher Arbeitszeiten unterstützen — wobei die meisten “Befürworter” dazu auch Sorgen äußern und gewisse Rahmenbedingungen sehen möchten:

“Ich glaube so eine Kernarbeitszeit hat schon ihre Vorteile, insbesondere wenn es um Absprachen, Zusammenarbeit und Team-Gefühl geht.”

“Ich verstehe ja die Vorteile von Home Office. Aber kündigt morgens einer HO an, fallen die anderen wie die Fliegen und man selber hat schon gar keine Lust mehr aufs Büro. Dafür müssen wir eine Lösung finden, das killt Motivation.”

“Ich finde es auch wichtig, dass man sich im Büro über den Weg läuft. So findet mehr Austausch statt.”

Jeder schätzt die Freiheit und auch mal alleine zu arbeiten, aber alle haben Bedenken, was das fürs Teamgefühl und die Arbeitsqualität im Büro bedeuten könnte.

Learning 3: Seid unerreichbar!

Dem entgegen steht die jüngst im Team entbrannte Diskussion über ständige Verfügbarkeit und dass eine gewisse Hemmschwelle (zeitliche oder räumliche Trennung) beim Ansprechen der Kollegen durchaus Sinn ergeben kann (Der Blogpost “The Presence Prison” sei euch hierfür ans Herz gelegt).

Wie bekommt man beides unter einen Hut?

  1. Man möchte nicht alleine im Büro oder immer zu Hause sein und stets in der Lage, sich schnell mal abzusprechen und
  1. man möchte ungestört arbeiten ohne verpflichtet zu sein, in Echtzeit antworten zu müssen.

Die im Experiment gemachten Beobachtungen, dass man zu Hause oder früh am Morgen im Büro produktiver ist, basieren auch darauf, dass man dabei nicht so einfach gestört werden kann. Niemand spricht einen an, Notifications kann man muten, keiner macht Geräusche und läuft ständig an einem vorbei (und nimmt dabei auch noch Augenkontakt auf!). Für Aufgaben die tiefen Fokus erfordern ist das Alleinsein perfekt, deshalb berichten auch viele von uns, dass sie morgens oder zu Hause am meisten “wegarbeiten” können.

Die konzentrationsfördernde Natur asynchronen Arbeitens und Kommunizierens vs. die gesellig-anregende und teamfördernde Natur der Anwesenheit im Office ist die große Challenge.

Eine allgemeingültige Kommunikations-Policy ist dazu wichtig. Klärt gründlich, wie ihr Vergfügbarkeit im und außerhalb vom Büro regeln wollt, haltet das fest und macht es allen zugänglich. Dann kann jeder seinen Zeiten fröhnen, wie er will. Probiert das einige Wochen aus, reviewt das Agreement und beginnt von vorn.

Learning 4: Hört auf euer Herz, das Team.

Das Experiment lief, von wenigen Annahmen inspiriert, sehr explorativ ins Blaue hinein. Ein Learning für zukünftige Formate ist, dass auch im Vorhinein eine gründlichere Analyse des Ist-Zustands passiert, damit man solch ein Experiment mehr auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter hin steuern kann — sofern vorhanden. Mehr Studie statt Feldversuch, das war die Resonanz im Team und nur um dieses geht es schlussendlich auch.

Wir werden (Kern-) Arbeitszeiten nicht per se abschaffen. Dafür ist uns zu stark bewusst geworden, dass Railsloves Identität auch von Präsenz und Zusammensein abhängig ist. Wir sind ganz einfach kein Team, das ausschließlich remote arbeitet. Wir sind aber ein Team, das hin und wieder gerne remote arbeitet und häufig im Büro ist, um immer mal wieder auch zu lange hier zu bleiben und gemeinsam auf Ideen kommt (oder einfach nur beim Bierchen beisammen sitzt).

Eine komplett regelfreie Arbeit bringt (noch) zu viele Probleme mit sich und wird in unserem Fall nicht unbedingt gebraucht. Das große Potenzial individueller Gestaltungsmöglichkeit bleibt der Kern unserer Ergebnisse, nicht aber das Ausbrechen aus allen Konventionen.

Learning 5: Die Abrechnung

Doch natürlich ist da noch mehr, als Produktivitätstechniken auszuprobieren und seine Sahnezeiten zu identifizieren.

Eigentlich sind die Beobachtungen und Tendenzen klar: Wir sind der Meinung meist in weniger Zeit mehr schaffen zu können. Das wäre ein schönes Leanring, widerspräche das nicht dem schon im Blogpost zur zweiten Woche angesprochenen Phänomen, dass von einer Agentur erwartet wird, stunden- oder tagesbasiert abzurechnen. Darunter leidet auch unsere Möglichkeit, nur fünf oder sechs Stunden am Tag zu arbeiten und dabei das gleiche oder mehr zu schaffen. Wessen optimaler Modus das ist, guckt in die Röhre, denn er genügt plötzlich nicht mehr den wirtschaftlichen Anforderungen einer Agentur. Schade. Aber nicht unmöglich zu überwinden.

Wie genau wir das Thema Abrechnung angehen wollen, ist noch unklar, allerdings steht fest, dass wir das tun werden. Zugegeben wollen wir das gründlicher vorbereiten, denn im Gegensatz zum bisherigen Experiment, sind hier die Risiken höher. Wir sind uns aber einig, dass dieser Schritt logisch und langfristig zwingend ist.

Fazit

Wir ändern erst einmal nichts am Modus des vergangenen Monats. Wir sind froh, das Experiment gemacht zu haben, auch wenn es abschließend weniger komplett neue Mindsets geschaffen hat, als einfach Aufmerksamkeit für ohnehin schon offene Möglichkeiten zu schaffen. Dennoch hat dieser kleine, offizielle Schubser in Richtung Freiheit für viele sofort spürbare, positive Konsequenzen gebracht. Wir sind ausgeglichener geworden und können unsere Arbeit insgesamt noch besser in unser Leben integrieren.

Keine der von Bekannten geäußerten Bedenken, was den Output der Mitarbeiter angeht, hat sich bewahrheitet: Niemand hat auf der faulen Haut gelegen und nur das Nötigste getan — aber da waren wir uns intern sowieso sicher. Angst muss man nur haben, wenn man ohnehin “Problemkinder” beschäftigt.

Wir nehmen zudem einige Aufgaben mit, die unsere Arbeitskultur, wie wir sie uns wünschen, festigen sollen. Und mit der Abrechnungsproblematik ein großes Thema, das wir zukünftig angehen werden.

Danke für’s Lesen und Mitfiebern ❤ Jetzt seid ihr dran.

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