In unserem Office brannte das Licht am vergangenen Donnerstag wieder einmal länger als in anderen Büros der Rheinmetropole. Drinnen wuselten Menschen hin und her, saßen vor Laptops und in Gespräche versunken oder schauten rätselnd auf ihrer Monitore. Unser Hauptquartier in der Kölner Südstadt ist seit November 2015 regelmäßig Treffpunkt der Workshop-Gruppe Refugees on Rails. Was nach einem gefährlichen Unterfangen klingt, ist abgeleitet von der Programmiersprache Ruby on Rails (die wir bekanntlich lieben). Refugees on Rails möchte helfen, Flüchtlinge dauerhaft in die Gesellschaft und die Arbeitswelt in Deutschland zu integrieren. Dahinter steckt in erster Linie eine Gruppe von Ehrenamtlichen aus der Kölner Tech-Community, unterstützt von lokalen Firmen und Institutionen, wie den Agenturen Railslove und anderScore oder dem Chaos Computer Club.
„Der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen“
Mithilfe gespendeter Laptops und geleitet von Coaches aus der lokalen Entwickler-Community, sollen die Flüchtlinge erste Schritte im Programmieren erlernen und im Laufe des Workshops – na klar – immer besser werden. Dabei beginnen die Coaches mit den Grundlagen: Wie funktioniert überhaupt eine Website? Wie kann ich in der einfachsten Form selber eine Seite online bringen? Und wie kann ich sie stylen, sodass sie auch Spaß macht zu benutzen? Schritt für Schritt entsteht dabei eine Vorstellung von der Arbeit als Programmierer.
Besonders der Kontakt der Flüchtlinge verschiedenster Herkunft untereinander und mit den Coaches – im Rahmen eines gemeinsamen Interesses – birgt laut Jakob Hilden, Coach und Mitbegründer des Kölner Refugees on Rails Ablegers, Potential für Veränderung. Denn von zu vielen werden Flüchtlinge weiterhin mehr als Problem, denn als Bereicherung oder Chance für unser Land wahrgenommen. Wie schnell man doch aus dem Blick verliert, dass die allermeisten von ihnen auf der Suche nach einem normalen Alltag mit sozialen Kontakten, einem Job und, ganz einfach, Akzeptanz sind. Wie schwierig sich das aufgrund von beiderseitigen Vorurteilen und Missverständnis gestaltet, können wir jeden Tag in den Nachrichten lesen. Wie wenig es braucht, um einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, zeigt Refugees on Rails.
„Für die meisten tut es gut, rauszukommen, etwas zu erarbeiten. Der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen“, sagt Organisatorin Denise Schynol. „Viele denken auch daran, wie sie Arbeit finden können, haben zuhause schon in dem Bereich studiert und suchen nun Anschluss an die lokale Szene.“
Gespendete Laptops und ehrenamtliche Coaches
Natürlich benötigen die Teilnehmer Rechner, an denen sie üben und das Gelernte umsetzen können. Diejenigen, die keinen eigenen besitzen, erhalten für die Dauer des Workshops Laptops, die aus Spenden stammen. Diese kommen von Unternehmen und auch Privatpersonen. (Wer Interesse hat, einen funktionstüchtigen Laptop zu spenden, findet alle Informationen dazu in den Links unter dem Artikel.)
Die einzigen Voraussetzungen für die Teilnahme sind die Möglichkeit auf Englisch oder Deutsch zu kommunizieren und ein starkes Interesse an Computern und dem Internet. Vom Sushi-Koch bis zum Ingenieur und erfahrenem Programmierer trifft man bei Refugees on Rails eine bunte Mischung an Menschen aus verschiedensten Ländern. Diejenigen, die bereits in ihrer Heimat als Entwickler gearbeitet haben, knüpfen dabei neue Kontakte, lernen noch etwas dazu oder teilen selber ihr Wissen. Freiwillige sind immer eingeladen, als Coaches ein neues, web-verwandtes Thema zu lehren. Beispielsweise läuft seit dem 06.10. momentan ein Java/Android-Kurs, der immer im Wechsel mit dem Webentwicklungskurs stattfindet. Hier werden noch Coaches gesucht.
Talente wollen oftmals gefunden werden
Seit November 2015 gibt es die Gruppe in Köln, der aktuelle Webentwickler-Kurs läuft seit dem ersten September und endet Mitte November. Die Teilnehmerzahlen sprechen für den Erfolg des Konzepts: zehn bis zwölf Teilnehmer kommen regelmäßig zu den Terminen. Amed Kino, Teilnehmer des aktuellen Kurses, macht momentan ein Praktikum bei Railslove und arbeitet dort produktiv an Projekten mit. Sein Beispiel verdeutlicht auch das Ziel der Initiative: Flüchtlinge einladen mitzumachen, Verantwortung zu übernehmen und Kontakte zu knüpfen. Wer mehr darüber erfahren möchte, ist jederzeit eingeladen einfach mal bei einem der Meetings vorbei zu schauen und sich einen Eindruck vom Format zu machen. Per eMail kann man sich jederzeit an [email protected] wenden.
Links
Termine und Informationen: http://cologne.refugeesonrails.org/en/
Laptopspenden: http://cologne.refugeesonrails.org/en/#laptop-donations
Picture: Paul Jarvis, Unsplash